Vier Ortsteile haben sich vor zwei Dekaden zu einer Gemeinschaft zusammengeschlossen. Seinen runden Geburtstag beging der Heimat- und Kulturverein (HKV) für die Gesamtgemeinde Großrinderfeld nun mit einem Festkommers und zahlreichen geladenen Gästen in der Turnhalle.
„Was kann der Heimatbegriff bedeuten?“ Die Frage des Vorsitzenden Dr. Jürgen Gernert blieb nicht lange unbeantwortet: „Verbindung, Verwurzelung, Zugehörigkeit, Erinnerung, Rückkehr, Geborgenheit, kurzum es geht um Charakteristisches und Atmosphärisches in unserer regionalen Lebenswelt. Wir haben es hier mit wichtigen sozialen Faktoren zu tun, die sich auf die Lebensqualität einer Gemeinde auswirken.“
Vielfältige Aktivitäten
In seiner Begrüßung ging der Mann an der Vereinsspitze auf die Aktivitäten in den 20 Jahren ein, in denen aus seiner Sicht wohl jeder und jede mit dem HKV in Berührung gekommen ist. Von der Gründung 2003 auf Initiative des damaligen Bürgermeisters Manfred Weis und Ortsvorsteher Klaus Bethäuser kam Gernert auf die Dokumentation der Ortsgeschichte und der Beteiligung am gesellschaftlichen Leben zu sprechen. Ob Vorträge, Schriftkundekurse oder Liederabende, ob Ferienprogramm, Teilnahme am Bauernmarkt oder der Einsatz für Kleindenkmale: Das Engagement ist vielfältig. Auf zahlreichen Schautafeln konnten sich die Besucher danach selbst ein Bild davon machen.
Das Augenmerk sei bereits von Beginn an darauf gelegt worden, alle vier Ortsteile zu vereinen, betonte Gernert. „Wie wir erfahren mussten, lässt sich eine gesamtörtliche Heimatforschung auf einfachem Wege nicht immer zu realisieren. Das Vorhaben erweist sich als komplex. Gerade deshalb wäre es in meinen Augen zielführend, die Anstrengungen zu bündeln. Gemeinsam wäre es allemal effektiver als alleine zu handeln, wie etwa auch unsere Mitgliedschaft im Frankenbund zeigt“, merkte der Vorsitzende an.
Höhepunkt in der bisherigen Arbeit sei eben, so Gernert, der Beitritt des HKV zum Frankenbund gewesen, der dem Verein viele positive Impulse für die Arbeit beschert habe. Als Antriebsmotor hob er besonders den Gründungsvorsitzenden Rudolf Geiger hervor, den er auch als „Herz des Vereins“ bezeichnete. Mit Grünsfeld, Niklashausen, Tauberbischofsheim und Wittighausen seien vier weitere Heimatvereine dem Beispiel gefolgt. Gernert dankte allen Mitstreitern für ihr Engagement und der Verwaltung für die offenen Ohren.
Sein Blick richtete sich auch nach vorn: Um sich zeitgemäß aufzustellen, will man neben dem geschichtlichen Aspekt den Blick auf die Natur und die Lebensbedingungen lenken. „Möge es gelingen, Großrinderfeld als lebenswerte Heimat zu erhalten“, so Gernert abschließend.
Die Definition von „Heimat“ und „Kultur“ hatte Landrat Christoph Schauder im Gepäck: „Etwas für Herz und Seele.“ Der Kreis und auch Großrinderfeld seien reich an Kultur, verwies er auf das Schönfelder Schloss-Areal oder die Gerchsheimer Kapelle.
Dem Verein bescheinigte der Landrat, dass die Bürger durch dessen Arbeit mehr über die Ortsteile erfahren und Geschichte für nachfolgende Generationen greifbar werde und bleibe.
Die fränkische Vergangenheit und das „ Zusammenschweißen der vier Ortsteile“ als wichtigen „Rückenwind“ hob Bürgermeister Johannes Leibold bei seiner Gratulation hervor. „Macht weiter so“, gab er den Mitgliedern mit auf den Weg. In Vertretung des erkrankten Bundesvorsitzenden Dr. Paul Beinhofer vom Frankenbund verlas die frühere Geschäftsführerin Dr. Christina Bergerhausen sein Grußwort. Durch den Beitritt Großrinderfelds zum Frankenbund sei auch ihr Leben privat sehr bereichert worden.
Beinhofer unterstrich in seinem Grußwort, das auch – oder gerade – in der heutigen Zeit der Globalisierung ein Heimat- und Kulturverein noch zeitgemäß sei: Er biete Verwurzelung im eigenen Umfeld. Beeindruckend fand er die Vielzahl der Aktivitäten und freute sich über den Beitritt Großrinderfelds zum Frankenbund 2011. Mittlerweile gebe es den Bezirk Tauberfranken unter Leitung von Dr. Jürgen Gernert. Das Vermitteln eines fränkischen Bewusstseins in Geschichte, Kunst, Mundart und Brauchtum, einer gemeinsamen Lebensart und eines gemeinsamen kulturellen Erbes sei der Auftrag des Frankenbunds.
Höhepunkt des Festabends war der Vortrag von Altlandrat Georg Denzer über den Ankauf des Klosters Bronnbach durch den Kreis. Im dortigen Archiv lagern auch die Unterlagen von Großrinderfeld. In seiner gewohnt launigen Art fesselte Denzer die Zuhörer von Beginn an.
Bronnbach lieb und teuer
Als dritter Besitzer hatte der Kreis die alten Gemäuer 1986 vom Wertheimer Fürstenhaus Löwenstein erworben. Denzer plauderte über die ersten Gespräche der beiden Reservisten Landrat und Erbprinz Löwenstein am Lagerfeuer während einer Wehrübung, über seinen wohl eher scherzhaften Satz „Am Ende kauft es der Kreis“ später und die sehr engagierten Verhandlungen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth für Zuschüsse zur Renovierung nach dem Kauf. Der hatte ihm gesagt: „Du kaufst es, aber es gibt nix vom Land.“ Die folgenden emotionalen Ausbrüche des Landrats hatten Späth dann doch zu anderen Entscheidungen und einem Landesprogramm mit Pilot-Projekt „Kloster Bronnbach“ bewogen. „Da wurde alles bezuschusst, selbst die benötigte Kläranlage“, so Denzer.
„Das teure Juwel Bronnbach“, zu dem sich auch der amtierende Landrat Schauder bekannte, wurde schließlich 1986 erworben und mit der Renovierung begonnen. Für Erheiterung bei den Zuhörern sorgte Denzer, als er berichtete, dass sein Konterfei die Decke des Bernhardsaals ziert: „Neben dem Ordensgründer der Zisterzienser, Bernhard von Clairvaux, ist der kleine Schorsch.“ Die Zisterzienser hatten Bronnbach als geistiges und kulturelles Zentrum viele Jahrhunderte geprägt. Wohlwollend betrachtete er die Ansiedlung des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung und des Kreisarchivs – und hatte sich sogar um eine Neuansiedlung von Mönchen gekümmert.
Viel Geld wurde, so Denzer, in den Erhalt des Klosters gesteckt. „Aber es wurde nicht zum Fenster hinaus geworfen“, war er froh über den Erwerb. Die Zuhörer bestätigten ihn mit langem Applaus.
Ehrenvorsitzender Rudolf Geiger würdigte abschließend alle Akteure des Festakts und die Mitglieder für ihr ortsteilsübergreifendes Engagement. Wie die Verbindung der musikalischen Vereine klingt, stellten die Jugendmusikschule Gerchsheim unter Leitung von Axel Heer sowie die Kirchenchöre von Großrinderfeld und Gerchsheim unter der Leitung von Ursula Leicht in mehreren Beiträgen eindrucksvoll unter Beweis.
Text: Diana Seufert